Verlauf des Mühlbachs und Bebauung
Der Mühlbach verläuft im Markt Hallstatt leicht mäandrierend. Dieser Kurve folgt auf seinem rechten Ufer eine nahezu geschlossene Häuserzeile. Die Grundrisslinie der Platz-Fassaden, welche die nordwestlichen Bebauung sowohl des Oberen Marktplatzes als auch des "Unteren" Marktplatzes bilden, sind analog geschwungen. Diese Kurve beginnt an der SO Ecke des Hauses Marktplatz 61 (Derbl) mit einem konkaven Bogen und wechselt bei ihrem Übergang zum Oberen Marktplatz in eine konvexe Form. Im weiteren Verlauf, im Bereich des "oberen Marktplatzes", bildet die Kurve zum Platz hin wieder eine konkave Form. Die konkaven Fassadenebenen erzeugen sowohl an "Oberen"- wie auch am "Unteren" Marktplatz konvexe, positive Platzräume. Auch in den alten Ortsansichten ist dieser Schwung deutlich lesbar dargestellt, sodass diese geschwungene Bebauungslinie als ein städtebauliches Muster der Gründungsphase gelten kann.
Abbildung 1: Badergraben, Marktplatz, 1713 - Hans Rietzinger, Tagrevierkarte, OÖLA.
Abbildung 2: Der Marktplatz im rezenten örtlichen Gefüge. Zeichnung Idam
Räumliche Peristaltik und Zugänge
Die Besonderheit des Oberen Marktplatzes liegt in seiner L-förmigen Grundrissstruktur und der dreidimensionalen Krümmung, die sich in Höhen- und Grundrissverlauf zeigt. Diese „räumliche Peristaltik“ – ein Wechsel von Enge und Weite – prägt die Zugänge:
Die südöstliche Bebauung, insbesondere das Reisenauerhaus (Oberer Marktplatz 55), drängt in den Platz und verengt ihn, wodurch die L-Form entsteht. Historische Karten, wie die von Hans Rietzinger, zeigen, dass der Platz vor dem Marktbrand 1750 nach Südosten deutlich weiter war. Der "Obere" Platz war, bereits im 18. Jahrhunderts an seinem nordwestlichen Rand durch die gekrümmte Bebauung, die an einen Kreisbogen mit einem Radius von 90 Werkschuh approximiert werden kann, fixiert. In seiner südöstlichen Ausdehnung jedoch erscheint der Platz bei Rietzinger wesentlich breiter und nimmt zusätzlich zur gegenwärtigen Ausdehnung auch noch die Grundfläche das evangelische Pfarrhofes und des Hauses Nr. 55 dazu.
Abbildung 3: Ober- und Unterer Marktplatz, 1725 - Hans Rietzinger, Acurate Mappe, OÖLA.
Historische Trennung und Veränderungen
Bereits vor dem Marktbrand von 1750 wurde der Marktplatz durch die Spitalskirche in einen "Oberen" und einen "Unteren" Bereich getrennt. Mit ihrem achteckigen Turm und spitzbogigen Fenstern bildete sie den westlichen Abschluss des Unteren Marktplatzes. Nach dem Brand wurde sie nicht wieder aufgebaut, ihr Grundriss dem Platz zugeschlagen. Die nördliche, südliche und östliche Begrenzungslinie des alten "Untere" Marktplatzes haben sich bis heute kaum verändert, während die westliche Begrenzungsebene von einer in N-S Richtung verlaufenden Arkade an der Spitalskirche, die an der NO Ecke der Rechertsheimer’schen Salzfertigung (heute "Waiselhauses", Marktplatz 59) ansetzte, gebildet wurde. Auf den Fundamenten der Rechertsheimer’schen Salzfertigung entstand das Waiselhaus, erweitert um zwei Fensterachsen nach Westen, sowie die Waiselhauskapelle. Diese Maßnahmen verschoben die Engstelle zwischen den Plätzen westwärts, wodurch der Untere Marktplatz seine quadratische Form verlor und ein längliches Dreieck bildete.
Der alte "Untere" Marktplatz besaß damit einen annähernd quadratischen Grundriss. Nach dem Marktbrand wurde die Spitalskirche nicht wieder aufgebaut und ihr Standort kam zum Platzbereich dazu. Mit der Errichtung des Waiselhauses auf der Parzelle der abgebrannten Rechertsheimer'schen Fertigung und dessen Erweiterung um 2 Fensterachsen nach Westen, sowie dem Neubau der Waiselhauskapelle, entstand ein neue Engstelle zwischen "Oberen" und einen "Unteren" Marktplatz.
Abbildung 4: Ober- und Unterer Marktplatz vor 1750. Zeichnung Idam
Bebauungsentwicklung nach 1750
Die südöstliche Bebauung des Oberen Marktplatzes, wie der evangelische Pfarrhof, entstand erst nach 1750 und engte den Platz ein. Dennoch bleibt die nordwestliche Fassadenlinie, mit einem Krümmungsradius von etwa 90 Werkschuh (ca. 27 m), weitgehend unverändert. Besonders die Fleischhauerei Zauner und das Haus Nr. 54 (ehemals Wiesinger Glaserer) zeigen diese Krümmung, wie auf der Premblechner-Karte von 1730 mit Details wie Spalierbäumen dargestellt.
Abbildung 5: Krümmung des Marktplatzes und des Oberen Marktplatzes.
Heute drängt sich von Süden und Osten die Bebauung in den Raum des alten Platzes, schnürt ihn ein und erzeugt dabei einen L- förmigen Platzgrundriss, der sich abwechselnd weitet und verengt. Mit dieser räumlichen Peristaltik leitet der obere Marktplatz den östlich anschließenden Badergraben in den nach Süden weiterführenden Pfannhausbühel über. Trotz dieser Einengungen ist der funktionale Wert des Oberen Marktplatzes als zentraler Knotenpunk der fußläufigen Erschließungswege im Markt erhalten geblieben. In räumlicher Enge nimmt hier bei Begräbnissen mit der Aussegnungszeremonie der Leichenzug seinen Ausgang. Die stadträumliche Besonderheit des Oberen Marktplatzes ist in einer dreidimensionalen Krümmung, die sowohl in Grundriss- als auch im Höhenverlauf erfolgt, und der oben beschriebenen räumlichen Peristaltik begründet.
Funktion und Atmosphäre
Trotz der räumlichen Einengung bleibt der Obere Marktplatz ein zentraler Knotenpunkt der fußläufigen Wege. Seine Atmosphäre entsteht durch die Dynamik von Enge und Weite, Hell und Dunkel sowie das Auf und Ab der Höhenentwicklung. Diese „Peristaltik“ macht den Platz lebendig: Von der Engstelle am Pfarrhof bis zur Öffnung am höchsten Punkt, wo der Kirchenweg abgeht, interagiert der Raum mit dem Nutzer. Bei Begräbnissen dient er als Ausgangspunkt für Leichenzüge, was seine kulturelle Bedeutung unterstreicht.
Fazit
Der Obere Marktplatz ist mehr als ein Platz – er ist ein Erlebnisraum, geprägt von historischer Kontinuität und räumlicher Dynamik. Seine Krümmung, die Peristaltik und die Höhenentwicklung machen ihn zu einem einzigartigen städtebaulichen Element Hallstatts, das Vergangenheit und Gegenwart verbindet.